Gemeinsam auf dem letzten Weg

Oft genügt es schon, einfach die Hand zu halten.
Oft genügt es schon, einfach die Hand zu halten.

Der Tod als Teil des Lebens: Gertraud Maier ist Hospizbegleiterin. Dabei geht es um weit mehr, als einfach nur da zu sein. Eine Geschichte von Nähe, Vertrauen und Respekt.

„Ich hab’ keine Angst vor dem Tod“, sagt Gertraud Maier. Sie war dabei, als ihre Großeltern gestorben sind. Ihre Mutter ist in ihren Armen für immer eingeschlafen. Und sie hat ihren Vater bis zu dessen Tod begleitet. „Niemand sollte seinen letzten Weg alleine gehen“, findet Maier. Umso mehr schmerzt sie der Gedanke an jenen Tag im Jahr 2004, als ihr Mann Siegfried starb – plötzlich und völlig unerwartet.

 

Hilfe und Trost fand die damals 40-Jährige bei der Trauergruppe. „Man kann den Tod nicht verdrängen“, sagt sie. Das Sterben gehöre zum Leben dazu. Nur gesprochen werde darüber viel zu wenig. Dabei sei das essenziell, um den Verlust eines lieben Menschen zu verarbeiten. Den Austausch mit anderen Trauernden möchte die Untergrafenriederin auch heute nicht missen. „Man fühlt sich verstanden. Das tut gut und gibt Kraft.“

 

Die Stille aushalten

Kraft, die Maier auch für die Pflege ihres Vaters gebraucht hat. Vor zwei Jahren war er seinen letzten Weg gegangen. Die Familie immer an seiner Seite. Und eine ehrenamtliche Hospizbegleiterin, die sich auf der Palliativstation im Krankenhaus großartig um ihn gekümmert habe. „Das hat mich sehr beeindruckt“, sagt Maier.

 

Nachdem der Vater tot war, habe sie aber eine große Leere in sich gespürt. Warum, das weiß sie bis heute nicht, da sie doch mit ihrem Mahl- und Mischdienst beruflich mehr als ausgelastet war und ist. Irgendwann habe sie sich an die schönen Momente erinnert, als die Hospizbegleiterin ihrem Vater auf der Gitarre vorgespielt habe. Da sei ihr Entschluss gereift, selbst für andere, für sterbende Menschen da sein zu wollen.

 

Von April bis November 2022 lässt sie sich daraufhin von der Caritas in Cham selbst zur Hospizbegleiterin im ambulanten Dienst ausbilden. 100 Stunden Theorie und 20 in der Praxis. Dafür opfert sie acht Monate lang ihre Wochenenden. „Das war schon stressig neben der Arbeit“, gesteht sie.

 

Aber Maier würde es wieder machen. Allein schon wegen der unterschiedlichen Themen, die in dem Kurs behandelt wurden: von der Ernährung am Lebensende über die verschiedenen Sterbephasen bis hin zur Kommunikation mit Menschen, die sich auf ihren Tod vorbereiten. Gerade Letzteres sei nicht einfach, hat Maier festgestellt. Nicht alle Patienten könnten am Ende ihrer Tage noch sprechen. „Es ist schwer, die Stille auszuhalten.“ Aber allein das Dasein helfe. „Die Sterbenden merken das.“ – Und sie reagieren darauf: mit einem Lächeln, einer Berührung, einem Laut. „Das ist das Schönste, das gibt mir am meisten.“

 

Kostbare Zeit

Ebenso wird aber auch Negatives wahrgenommen. „Wenn ich gestresst bin, überträgt sich das“, hat Maier festgestellt und meidet an solchen Tagen Besuche. Wie oft sie zu den Patienten geht, kann sich die Untergrafenriederin selbst aussuchen. Meistens einmal pro Woche. „Wenn es akut wird, habe ich das Bedürfnis, öfter hinzugehen.“ Um den Menschen an ihren letzten Tagen ein bisschen Alltag zu geben und schöne Momente zu bereiten. Sie liest vor, betet Maiandachten oder Rosenkränze, bringt Blumen mit oder hält einfach die Hand ihres Gegenübers. Respektiert dabei aber immer Grenzen. „Nicht jeder mag das.“ Sie nimmt sich Zeit für Gespräche und Anteil, sie spendet Trost und Nähe.

 

Jeder Besuch, jede Begegnung sei etwas Besonderes, sagt Maier. „Man baut eine tiefe Verbindung auf, die oft keiner Worte bedarf.“ Danach müsse man aber auch wieder abschalten können, dürfe das Schicksal, das Leiden oder den Tod nicht mit nach Hause nehmen. Das sei zwar nicht leicht, aber auch darauf sei sie in dem Hospizbegleiterkurs der Caritas vorbereitet worden, erzählt Maier.

 

Zudem gebe es alle paar Monate eine Supervision mit der evangelischen Dekanin Ulrike Dittmar. Dabei könne man von seinen Erfahrungen berichten und sich mit anderen austauschen. „Man lernt dabei so viel“, sagt Maier.

 

Wobei es ein Schema F im Hospizdienst nicht gebe. Jeder Patient ist anders. Darauf müsse man sich einstellen. Im Mittelpunkt steht der sterbende Mensch mit seinen Bedürfnissen, seinen Ängsten und Schwächen. Den nahenden Tod vor Augen. Das sei schwer, sagt Maier. Und doch ist die Untergrafenriederin überzeugt: Verdrängen bringt nichts. Weder denen, die sich auf ihrem letzten Weg befinden, noch den Angehörigen. Der Tod ist Teil des Lebens. Das mag hart klingen. Aber es gibt Menschen wie Gertraud Maier; Menschen, die da sind, um andere auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Oft mit wenigen Worten, aber mit ganz viel Liebe.

Chamer Zeitung: 01.11.2023