Klaus Unverzart hat Dialektwörter aufgeschrieben

Von A (allebind) bis Z (Zäch): Der Kritzenaster Klaus Unverzart hat hunderte Dialektwörter aufgeschrieben und nun in Buchform herausgebracht. Spannende Lektüre, für Einheimische wie „Zugroaste“.
Von A (allebind) bis Z (Zäch): Der Kritzenaster Klaus Unverzart hat hunderte Dialektwörter aufgeschrieben und nun in Buchform herausgebracht. Spannende Lektüre, für Einheimische wie „Zugroaste“.

Klaus Unverzart aus Waldmünchen und seine Erkenntnisse über sprachfaule Oberpfälzer

Er ärgert sich. Wie konnte er nur den Schorsch auf der Namensliste vergessen oder das Wort „stugga‘ra“ im Wörterbuch, was soviel bedeutet wie ungefähr. Dabei spiegelt beides wahrscheinlich genau das wieder, das der 80-Jährige mit einem besonderen Vorhaben erreichen will: den heimischen Dialekt ins Bewusstsein rufen. Der ist wunderbar – und wandelbar.

Vor rund drei Jahren hat der Kritzenaster begonnen, Dialektwörter „aus dem Schwarzachtal von Ast bis Rötz“ aufzuschreiben. Die hat er nun als Buch herausgebracht. „Nach Waldmünchen gibt es schon deutliche Unterschiede“, erklärt Unverzart den Untertitel seines Heftleins „Mirgg af... oo mei“.

 

Miirg af, "merk auf", ist das Büchlein überschrieben, mit dem Klaus Unverzart dem Vergessen entgegentreten will.
Miirg af, "merk auf", ist das Büchlein überschrieben, mit dem Klaus Unverzart dem Vergessen entgegentreten will.

Schon Waldmünchen ist anders

So würden Letztere „loas no eisitzn“ formulieren, während es rund um sein Heimatdorf „laus no ànesitzn“ würde. „Das ist so spannend.“ Die Begeisterung, das Fieber, es ist in jeder Sekunde spürbar, in der der 80-Jährige von seinen Forschungen erzählt.

Auslöser der außergewöhnlichen Dokumentation sind in gewisser Weise Unverzarts (sieben) Enkel. Sie konnten mit Begriffen wie Gosara (Gänserich) und Pfoad (Hemd) nichts anfangen. „Schade“, fand und findet der Familien(groß)vater. Also beschloss er, das ohnehin Zusammengetragene in gedruckter Form festzuhalten.

Wie schreiben?

Dabei hatte er durchaus mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Wie genau schreibt sich ein lang ausgesprochenes „a“, wie drückt man die feinen Nuancen zwischen ua und ou aus? „Ich habe es nach meinem Empfinden und Hörensagen aufgeschrieben“, erläutert der frischgebackene 80-Jährige.

Der Autor: Klaus Unverzart mag kein Aufhebens um seine Person, es soll um das Thema gehen.
Der Autor: Klaus Unverzart mag kein Aufhebens um seine Person, es soll um das Thema gehen.

Keine wissenschaftliche Arbeit

Damit wird etwas anderes klar: Unverzart erhebt nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Abhandlung, die überlasse er anderen. „Es geht mir rein ums Bewahren.“ Was nicht bedeutet, dass er sich nicht Gedanken macht, wo manch eingestreute Silbe, manches Wort seinen Ursprung habe. Das eingeschobene „eh“ (eh klar) etwa, es könnte aus Österreich stammen. Grundsätzlich sieht er von Spekulationen aber lieber ab. Er erinnert lieber an Ausdrücke wie bredscheldern, dräj‘dan oder hi-schwoj‘ssn (die entsprechenden Laute sind erklärt).

Er liebt es, einen Stift in der Hand zu halten

Seit 40 Jahren schreibt Klaus Unverzart Tagebuch, er hat an der Aster Chronik mitgewirkt – unter anderem mit Beiträgen zur Grenze und der Kirchweih in früheren Zeiten –, er hat sein Leben aufgeschrieben und die Veränderungen seines Heimatdorfes dokumentiert. „Ich hab‘ einfach gern einen Stift in der Hand“, beschreibt der gelernte Maschinenbauer seine Passion.

Derb und gefühllos

Die hält ihn gefangen, obwohl er zugibt, den Oberpfälzer Dialekt grundsätzlich als etwas derb und gefühllos zu empfinden. Unbewusst und indirekt hat sein Enkel Luca dies bestätigt, der nach einer ersten Durchsicht der Unverzartschen Sammlung „viel Negatives“ ausgemacht hatte.

Dabei fehlt es dem Kritzenaster auch in Sachen Dialekt nicht an Humor. Wenn ein Norddeutscher etwa von zwei Männern, zwei Frauen und zwei Kindern sprechen würde, könnte der geneigte Oberpfälzer all das mit „Zwäj, zwau, zwoa“ abhandeln.

„Sch“ statt „s“

Unverzart glaubt, dass die Sprechfaulheit des Oberpfälzers viel erklären kann, „vielleicht mehr als manche Wissenschaft“. Ein „s“ zu sprechen sei anstrengend, das „sch“ leichter. Fersch‘n statt Ferse, Rengschburg. „Das sch zieht sich quer durch unseren Dialekt“, hat Unverzart festgestellt. Wie auch Müllner leichter über die Lippen gehe, ohne den Mund zu öffnen, als Müller...

In dem Büchlein ist mehr verborgen als eine Lautschrift, eine Aussprachehilfe oder Einordnung. Klaus Unverzart erzählt Kultur- und Heimatgeschichte. Beispiel das Büjl-Oa. Ein solches haben die Menschen früher der Henne „untergejubelt“, damit sie das Brüten beginnt...

 

Der 80-Jährige hat sich auf die Wörter oder Kombinationen konzentriert, deren Übersetzung sich ins Deutsche nicht aufdrängt (geid für geht hat folglich keinen Einzug ins Wörterbuch gefunden), eher wurden die Exoten herausgekramt Wie Barz`n (zur Schau stellen) oder Gràj, stufenloser Zugang.

Warum jetzt ein Buch? „Ich wollte das für mich, die Kinder, die Enkel und alle die nachfolgenden Generationen“, betont der 80-Jährige. Zu viel sei schon in Vergessenheit geraten, betont er.

 

Nachdenkliches Nachwort

Noch nachdenklicher fällt Unverzarts Nachwort aus. Über Diskussionen, ob ß oder ss könne er nur den Kopf schütteln, wie auch über manch Lebensfremdes, das den Lehrplan in den Schulen bestimme. „Das konnte ich mir einfach nicht verkneifen“, meint der Kritzenaster, „wenn es auch mit dem Inhalt des Buches wenig zu tun hat“.

 

Noch mehr als diese Gedanken liegt ihm der Dialekt am Herzen. Unverzart wünscht sich, dass das Büchlein zur Hand genommen wird und beiträgt, Althergebrachtes zu bewahren. Rog‘l Moj-schägg, Hog‘n... Kennen Sie nicht? Dann haben Sie jetzt eine neue Pflichtlektüre!

 

DAS BÜCHLEIN

Auflage: Klaus Unverzart hat zunächst 100 Stück drucken lassen. Neben den Dialektwörtern samt Namen und Wochentagen sind in ihnen ein erklärendes Vor- und nachdenkliches Nachwort enthalten.

 

Verkauf: Zu haben ist das 40-seitige DIN A 5-Geheft bei der Druckerei Leopold in Waldmünchen, die es auch hergestellt hat, sowie der Tourist-Information Waldmünchen, Telefonnummer (09972) 30725. Kosten: neun Euro.

Fotos: Schoplocher

Mittelbayerische Zeitung: 06.10.2023