Grafenrieder Heimattreffen

Nach drei Jahren Pandemie feierte man wieder gemeinsam Gottesdienst in den Grundmauern der Pfarrkirche St. Georg in Grafenried.
Nach drei Jahren Pandemie feierte man wieder gemeinsam Gottesdienst in den Grundmauern der Pfarrkirche St. Georg in Grafenried.

Hier wird die europäische Idee gelebt

Nur circa 500 Meter trennen die verschwundenen Ortschaften Grafenried, Anger, Seeg und Haselberg auf tschechischer Seite von Untergrafenried auf deutscher Seite. Einst gehörte der Pfarrsprengel Grafenried zu Bayern, fiel aber durch den Grenzvertrag von 1764 endgültig an Böhmen. Ein Umstand, der dem kleinen Ort später völliges Verderben bringen sollte. 1946, also vor 77 Jahren, mussten alle Bewohner ihre Heimat verlassen und somit ihr ganzes Hab und Gut zurücklassen. 

So mancher Angehörige konnte später von Untergrafenried aus – hier verlief die Grenze – nur einen sehnsuchtsvollen Blick in die alte Heimat werfen. Jahrzehnte lang blieb es ihnen verwehrt, dorthin zurückzukehren, wo sie geboren worden waren. Wenn auch die Erinnerungen immer mehr verblassten, die Sehnsucht, die alte Heimat einmal wiederzusehen, blieb. Erst mit der Grenzöffnung, dem Fall des Eisernen Vorhangs, hat sich vieles geändert. Doch viel war von ihren einstigen Heimatdörfern nicht mehr übrig. Dem gebürtigen Seeger Hans Laubmeier blutete damals wie vielen anderen das Herz.

Der Aster Kirchenchor unter Leitung von Lissa Laubmeier gestaltete den Gottesdienst musikalisch.
Der Aster Kirchenchor unter Leitung von Lissa Laubmeier gestaltete den Gottesdienst musikalisch.

Der alten Heimat verbunden geblieben

Die Rettung für Grafenried war ein deutsch-tschechisches Projekt, mit dessen Hilfe nicht nur das Gotteshaus (ab 2012), sondern auch der einstige Pfarrhof sowie weitere Gebäude freigelegt und mit Namenstafeln versehen wurden. Und auch der Friedhof zeigt sich heute wieder als würdige Ruhestätte für die Verstorbenen des Pfarrsprengels Grafenried. 2016 löste Thomas Schrödl Hans Laubmeier als Ortssprecher ab. Auch seine Wurzeln liegen in Grafenried. Obwohl er erst 42 Jahre alt ist, fühlt er sich seiner Familiengeschichte und damit auch dem Heimattreffen verpflichtet. Dieses findet seit mehr als zehn Jahren, immer zum Patroziniumsfest der Pfarrkirche St. Georg, statt. Um für ein paar Stunden mit ehemaligen Nachbarn und Freunden oder deren Nachkommen vereint zu sein, nehmen viele eine weite Anreise auf sich. Wie etwa Judith Ann Mandrgoc, deren Großmutter im Alter von 16 Jahren 1890 in die USA ausgewandert war, oder eine Familie aus Hamburg, deren Wurzeln in Grafenried liegen. Sie nahm in diesem Jahr zum ersten Mal am Treffen teil.

 

Am Samstagnachmittag feierten alle gemeinsam einen Gottesdienst. Nach einer dreijährigen Pandemie-Pause sei das Interesse und die Sehnsucht, Grafenried zu besuchen, gewachsen, sagte Schrödl. Das Treffen zeige nicht nur das Interesse an Grafenrieds Geschichte, dieser Tag zolle auch Wertschätzung, was hier völkerübergreifend geleistet wurde. Grafenried sei nach der Zeit der Vertreibung, Flucht und Ungerechtigkeit zu einem Zeichen der Erinnerung und der Völkerverständigung geworden. In einer Zeit, in der in vielen Teilen der Welt Krieg herrsche, sei das Grafenrieder Treffen ein Fingerzeig. Hier könne man die Idee und die Umsetzung für ein vereintes Europas spüren und erleben.

Stadtpfarrer Wolfgang Häupl, der Aster Ruhestandsgeistliche Raimund Arnold, der Brünner Pfarrer Johannes Nepomuk Bejcek, Pfarrer Klaus Oehrlein aus Maintal, Pater Anish und Diakon Alfons Eiber zelebrierten den Gottesdienst. Häupl sagte, dass man beim „Herübergehen“ nach Grafenried, wo Eltern und Großeltern oder man selbst noch gelebt habe, viele Veränderungen feststellen konnte. Zwar seien von dem einstigen Elternhaus nur noch Steine übriggeblieben, aber kleine Täfelchen wiesen darauf hin, wo welche Familie gelebt hatte.

Sie setzten sich dafür ein, dass Grafenried ein Ort der Begegnung aber auch der Mahnung bleibt.
Sie setzten sich dafür ein, dass Grafenried ein Ort der Begegnung aber auch der Mahnung bleibt.

Kehrseite der Medaille: Vertreibung und Verfall

„Wenn man durch die Ausgrabungen schreitet, kommt wahrscheinlich wieder die eine oder andere Erinnerung, die man selbst erlebt hat, zurück“, meinte Häupl. Man erinnere sich aber auch daran, was die Eltern oder Großeltern von der Heimat erzählten, in der sie einst glücklich waren. Aber auch die Kehrseite der Medaille, die Vertreibung und der Verfall der Ortschaften, habe sich ihm fest im Gedächtnis verankert. Erst in den 1970er Jahren sei die Pfarrkirche, in deren Mauern man getauft, geheiratet und Gottesdienst gefeiert hatte, gesprengt und eingeebnet worden. An den nachfolgenden Generationen liege es nun, das Licht der Osterkerze hinaus in die Welt zu tragen, zu verzeihen und Gott die Treue zu halten. Nach dem Gottesdienst, den der Aster Kirchenchor musikalisch gestaltete, dankte Schrödl den vielen Helfern, die sich nicht nur um den Gottesdienst, sondern um Grafenried annehmen, viele Überreste des Ortes wieder zum Vorschein bringen und dafür sorgen, dass der Ort in Zukunft als dauerhaftes, mahnendes Freilichtmuseum erhalten bleibt. Stellvertretend nannte er Helmut Roith, Alois Rötzer, Birgit Symader und Zděnek Procházka, Hans Laubmeier und Zuzana Langpaulová.

 

Grafenried: ein Mahnmal für den Frieden

Bürgermeisterstellvertreter Martin Frank meinte, dass man hier in Grafenried bei den Besuchern große Betroffenheit sehen könne. Dieser Ort habe im Jahr 1946 über viele Menschen großes Leid gebracht. Deshalb freue es ihn, dass Grafenried vor allem für die junge Generation nicht nur zu einem Museum, sondern zu einem Mahnmal geworden sei, dass Krieg niemals eine Lösung sei.

 

Hans Laubmeier sagte, dass Grafenried immer einen Besuch wert sei. Gerade zum Patroziniumsfest ziehe es Menschen hierher, die selbst oder deren Angehörige, hier getauft worden seien oder deren Familienangehörige am Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden hätten. Eines hätten die Angehörigen allesamt gemeinsam: Sie werden diese Stätte ihr ganzes Leben lang in ihrem Herzen behalten.

 

Im Anschluss trafen sich die ehemaligen Bewohner Grafenrieds, deren Nachkommen und Interessierte im Gasthaus „Zum Deutschen Eck“ in Steinlohe zum Grafenrieder Heimattreffen.

Text und Fotos: Bucher