Wenn die Wohnung zum Filmstudio wird

Die Wohnung wurde zum Filmstudio umfunktioniert.
Die Wohnung wurde zum Filmstudio umfunktioniert.

Die Corona-Pandemie hat in den vergangenen Monaten viele gewohnte und liebgewordene Angebote verhindert, auch die Kinderkirche in der Pfarreiengemeinschaft Waldmünchen-Ast, die etwa alle zwei Monate im Chorraum des Gaubaldhauses stattfindet. Das ist seit Mitte März wegen Abstandsregeln und Hygienevorschriften nicht mehr möglich. Die höchsten kirchlichen Feste Ostern und Pfingsten sollten aber für die Kinder nicht einfach ausfallen.

Im Kinderkirchenteam wurde deshalb die Idee geboren: „Wenn die Kinder nicht zur Kirche kommen können, dann muss die Kirche zu den Kindern kommen“. Und so entstand auf Anregung von Susanne Heiner das Projekt „Digitale Kinderkirche“.

 

Die Rollen innerhalb der Familie waren schnell verteilt. Marianne Kowalski fungierte als Regisseurin, Sohn Josef (rechts)  war für die musikalische Gestaltung verantwortlich und Martin Kowalski übernahm Beleuchtung und theologische Beratung.
Die Rollen innerhalb der Familie waren schnell verteilt. Marianne Kowalski fungierte als Regisseurin, Sohn Josef (rechts) war für die musikalische Gestaltung verantwortlich und Martin Kowalski übernahm Beleuchtung und theologische Beratung.

Rollen schnell verteilt

 

Meine Frau Marianne war begeistert von der Idee, denn so hatte sie die Möglichkeit, auch ihren Kindergartenkindern, die ja nicht in den Hort durften, dieses religiöse Angebot nahezubringen. Weil aber wegen der damals noch sehr strengen Auflagen nicht einmal das Team zusammenkommen konnte, wurde aus der Idee ein Familienprojekt im Hause Kowalski. Rückblickend hat unsere Familie das ganz schön an die Grenzen gebracht, aber auch zusammengeschweißt. Die Rollen der Familienmitglieder waren schnell verteilt: Marianne, die ein Talent dafür besitzt, schwierige religiöse Inhalte in eine kindgemäße einfache Sprache zu übersetzen, schrieb das Drehbuch und wurde zur Regisseurin ernannt. Sohn Josef als Fachlehrer für Musik und Kommunikationstechnik war Kameramann und verantwortlich für musikalische Gestaltung und Schnitt. Ich hatte die bescheidene Rolle des Beleuchters übernommen. Mein wichtigstes Arbeitsgerät war eine alte Nachttischlampe ohne Lampenschirm. So leuchtete sie schön hell. Außerdem war ich theologischer Berater und zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Mit den wichtigsten Job erledigten Sohn Lorenz mit Freundin Verena. Sie sorgten dafür, dass wir während der tage- und nächtelangen Drehphasen nicht verhungerten und verdursteten.

 

Gedreht wurde auch in der Küche.
Gedreht wurde auch in der Küche.

Drehort Küche

 

Chronologisch vorgehend nahmen wir zuerst „Palmsonntag“ auf – in unserer Wohndiele. Alle Schränkchen und Möbel wurden ausgeräumt bis auf das Klavier. Das brauchte Josef für die musikalische Untermalung. Auf dem Teppich legte Marianne Symbole für das, was die Kinder bisher aus dem Leben Jesu erfahren hatten. Mithilfe des Erzähltheaters und entsprechenden Bildern war der erste Film bald im Kasten. Das ermutigte uns. „Geht ja schnell!“, dachten wir. Als Nächstes standen Gründonnerstag bis Ostern auf dem Programm. Wegen der umfangreichen Vorbereitungen konnten wir erst am Samstagabend anfangen. Ein ausgedienter Kelch aus der Sakristei musste her und eine nicht mehr benutzte Hostienschale als Behältnisse für „Brot und Wein des letzten Abendmahles“. Blumen für den Ostergarten waren zu besorgen. Kleine bunte Edelsteinblüten zum Kreuzschmücken, Steine für das Felsengrab suchen, Strahlen für die Ostersonne ausschneiden und, und, und. Diesmal war die Küche der Drehort. Es wurde eine lange Nacht ohne Schlaf – wahrlich eine Osternacht. Denn als am Morgen der Dreh auf den Höhepunkt, die Auferstehung Jesu, zusteuerte, ging just in diesem Moment draußen die (Oster-)Sonne auf und strahlte hell in unsere Küche auf das leere Grab. „Jesus lebt, ich freue mich. Halleluja!“ – Und wir lebten auch noch. 

Nie zuvor hatten wir das gleichnamige Osterlied so voller Inbrunst gesungen wie an diesem Sonntagmorgen, als die letzte Einstellung im Kasten war. Vollkommen wurde die Osterstimmung durch das Frühstück unseres familieneigenen Catering-Teams, nachdem es sich mühevoll den Weg durch die Filmbauten hindurch zu Kühlschrank, Herd und Küchentisch gebahnt hatte.

 

Plötzlich drängt die Zeit

 

Eine echte Prüfung für die Filmfamilie bedeutete aber unser letztes Projekt „Mit Jesus von Ostern bis Himmelfahrt und Pfingsten“, ein wahres „Himmelfahrtskommando“. Als ich das umfassende Drehbuch meiner Frau las, das sie mitunter in nächtlichen Stunden verfasst hatte, ahnte ich schon, dass die Umsetzung ein Kraftakt werden würde, zumal wir uns Pfingstmontag als Termin für die Veröffentlichung gesetzt hatten und dies schon in der Zeitung und sozialen Medien angekündigt war.

 

Requisiten – selbst gemacht.
Requisiten – selbst gemacht.

Kraftakt – für alle

 

Am Pfingstwochenende sollte gedreht werden. Diesmal räumten wir das Wohnzimmer aus, um Platz zu haben. Nur Schrankwand und Fernseher blieben, um zwischendurch Tagesschau sehen zu können. Instrumente, Tücher, Legematerial wurden angeschleppt, Feuerzungen gebastelt, das Evangelienbuch und die Ministrantenglocken aus der Kirche geholt, die aber zwischen den Drehs immer wieder dorthin zurückmussten. Der Heilige Geist half uns mehrmals, zum Beispiel indem er gerade noch rechtzeitig mittels eines Hermes-(Götter)boten die im Internet bestellten bunten Holzfische für die Szene vom reichen Fischfang lieferte und der Weihrauch zum idealen Zeitpunkt beeindruckend qualmte. So waren wir anfangs guten Mutes – auch eine Gabe des Heiligen Geistes. Zudem war die Kinderkirche nicht das einzige Projekt unseres Sohnes an diesem Wochenende.

 

Während der nun nötig gewordenen Nachtschichten mussten wir unseren übermüdeten Filmtechniker immer wieder aufwecken, weil er zwischen den Aufnahmen einschlief, einmal sogar im Stehen mit dem Aufnahme-Tablet in der Hand, so dass wir gerade noch verhindern konnten, ins mühevoll aufgebaute Legebild hineinzustolpern. Erstaunlicherweise spielte und sang Josef die Musikstücke trotzdem perfekt ein – im Schlaf sozusagen. War ich selbst beim nächtlichen Osterdreh noch hundemüde, spürte ich diesmal viel Energie.

 

Ein „hantiger Engel“

 

Gab die mir auch der Heilige Geist? Jedenfalls trieb ich meine Familienmitglieder von Szene zu Szene und verhinderte nebenbei durch ein Machtwort, dass Marianne Christi Himmelfahrt zum x-ten Male verbessern wollte, weil ihr mal der aufgebaute Berg, mal die Wolkentücher nicht gefielen. Total genervt geriet mir der Engel, den ich anschließend einsprechen musste, ziemlich „hantig“. Josef bemerkte, ich würde genauso grantig rüberkommen wie der Engel Aloisius, als er im Himmel kein Bier bekam. Marianne forderte, ich müsste den Engel gefälligst freundlich und sanftmütig sprechen, schließlich sei Jesus gerade zum Himmel aufgefahren. Das fiel mir in diesem Moment richtig schwer, aber ich hab’s hingekriegt – nach mehreren Versuchen. Morgens um halb fünf Uhr war die letzte Szene abgedreht.

 

Am Pfingstsonntag, nach wenigen Stunden Schlaf, perfektionierte Josef den Schnitt und wollte das Werk dem Homepage-Beauftragten der Pfarrei Ast, Hans Erhard, zum Hochladen übermitteln. Aber der Teufel liegt bekanntlich im Detail: Die Übermittlung der großen Datenmengen klappte nicht wie erhofft. Erst am frühen Pfingstmontagmorgen meldete Erhard, dass die Kinderkirchen online sind – gerade noch rechtzeitig. Wenn da nicht der Heilige Geist am Werk war.

Text und Bilder: Martin Kowalski